Nadya Moussa
Salam alaikum verehrte Spenderinnen und Spender,
dieses Jahr planen wir Änderungen zu Kurban. Jeder Kurbanauftrag wird wie gewohnt in einem unserer Projektländer umgesetzt. Was sich ändert, ist Folgendes:
Für jeden Spender, der muslimehelfen mit einem Kurban beauftragt, wird inschallah ein Schaf oder eine Ziege in einem unserer Projektländer geschächtet bzw. wenn Rinder geschächtet werden, wird für sieben Aufträge ein Rind geschächtet. Von der Differenz des Preises sollen Grundnahrungsmittel an bedürftige Familien ausgegeben werden, die das Fleisch erhalten. Außerdem haben wir dieses Jahr den Preis pro Kurbanauftrag auf 200 Euro angehoben, obwohl der Betrag immer noch für hier heimische Verhältnisse zu niedrig ist.
Der Betrag ergibt sich nicht willkürlich. muslimehelfen orientiert sich bei den Preisen immer an offiziellen Zahlen des Deutschen Bauernverbandes und der muslimischen Metzgereien und Lebensmittelläden in der Nähe. Daraus ergeben sich für 2021 die folgenden Preise: Ein Lamm würde vom Schäfer zerlegt eigentlich 272 Euro kosten, ein zerlegtes Rind knapp 213 Euro pro Anteil – sieben Spender teilen sich, wie oben beschrieben, ein Rind.
Wir möchten unseren Spendern weiterhin die Möglichkeit bieten, am Opferfest ein Tier schächten zu lassen. Dennoch sind wir den Bedürftigen gegenüber verpflichtet. Die Aufgabe von muslimehelfen besteht darin, Menschen in Not über Hilfsprojekte beizustehen, ihre Not zu lindern und auf angestiegenen oder geänderten Bedarf passend zu reagieren. Hinzu kommt, dass es in einigen Ländern schwierig geworden ist überhaupt zu schächten. Das bedeutet für muslimehelfen: Am Opferfest müssen mehr Schächtungen auf weniger Länder und Partnerorganisationen verteilt werden. Um eine islamisch korrekte Schächtung garantieren zu können, dürfen die einzelnen Partnerorganisationen aber nicht überlastet werden.
In den vergangenen Jahren hatte muslimehelfen am Opferfest immer mehr Tiere schächten lassen als von den Spendern beauftragt waren. Zum einen kosten die Tiere in vielen Projektländern wesentlich weniger als in Deutschland. Zum anderen haben wir so sichergestellt, dass alle Aufträge tatsächlich umgesetzt werden. So konnten fast doppelt so viele Familien mit Fleisch versorgt werden, die sich andernfalls keines hätten leisten können, alhamdulillah. Auch dieses Jahr wird es inschallah einen Puffer geben, aber der Großteil des übrigen Budgets soll für Grundnahrungsmittel aufgewendet werden.
2020 war für uns alle ein sehr schweres Jahr. Dieses Jahr wollen wir einige unserer Gewohnheiten vorab dem Bedarf vor Ort anpassen. Bereits im vergangenen Jahr hatten wir fast 1,5 Millionen Euro für Nothilfeprojekte aufgewendet, knapp unter 900.000 Euro davon war für reine Coronanothilfe, also mehrheitlich Lebensmittel und stellenweise auch Hygienemittel und medizinische Schutzmittel, ausgegeben worden.
Dank sorgfältiger Planung und den besten Bemühungen unserer Partner konnten die Projekte alhamdulillah umgesetzt werden. In 2020 hat muslimehelfen alhamdulillah 176 Projekte finanziert, so viele wie nie zuvor. Wir danken Allah für den Segen und den Spendern für ihre Unterstützung. Mit unseren Partnerorganisationen haben wir trotz aller Widrigkeiten in zweiundzwanzig Ländern arbeiten können: in Albanien, Bangladesch, Bosnien, Burundi, der Demokratischen Republik Kongo, Haiti, Indien, Indonesien, Kambodscha, Kenia, im Libanon, Malawi, Montenegro, Nepal, Pakistan, Ruanda, Sri Lanka, Südafrika, Thailand, Togo, der Ukraine und in Zimbabwe.
Wir haben festgestellt, dass der Bedarf an Lebensmitteln in unseren Projektländern weiterhin sehr hoch ist, unsere Spenden sind teilweise aber zweckgebunden, das bedeutet, dass ein Teil davon nicht frei für alle Projekte verwendet werden kann. Allerdings reichen unsere Spendengelder nicht aus, um am Opferfest genauso weiterzumachen wie bisher, und gleichzeitig Lebensmittelhilfe zu leisten.
In den meisten unserer Projektländer werden immer wieder Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote verhängt, es kommt immer wieder zum lockdown. Dieser wechselnde Zustand hat letztes Jahr kurz vor Ramadan begonnen und hält stellenweise bis heute an. Das bedeutet für hunderttausende Familien, dass sie immer noch nicht ihrer geregelten Arbeit nachgehen können. Da die wenigsten Arbeitnehmer vor allem aus dem informellen Sektor auf finanzielle Rücklagen zugreifen können, sie aber nur verdienen, wenn sie arbeiten, bleiben sie in dieser Zeit ohne Einkommen oder Lohn. Viele sind Wanderarbeiter, die in Großstädten nach Arbeit gesucht haben, aber eigentlich weit weg leben. Ausfallende Einnahmen haben sie wohnungslos hinterlassen, in Ländern wie Indien sind sie gewaltsam daran gehindert worden, in ihre Dörfer zurückzukehren, die oft in anderen Teilen des Landes liegen. Betroffen sind aber nicht nur bedürftige, sondern auch ehemals mittelständige Familien, die durch die aktuelle Lage in Bedürftigkeit geraten sind. Die Zahl der Haushalte, die auf Hilfe von Dritten angewiesen ist, hat weltweit zugenommen. Allein in Bangladesch ist laut eines Artikels im The Daily Star vom 27. April 2021 die Zahl der in Armut geratenen Familien durch die Pandemie um fast 15 Prozent angestiegen. Hinzu kommt, dass in Ländern wie Südafrika und Indien Mutanten des Virus aufgetreten sind, die über Reisen ins Ausland weitergetragen wurden und werden.
Die Vereinten Nationen beklagten im April, dass heute einer von 33 Menschen weltweit entweder auf humanitäre Hilfe oder Schutz angewiesen ist. Das sind mehr als zu jeder Zeit nach dem 2. Weltkrieg. Fast 80 Millionen Menschen weltweit sind durch Konflikte oder Gewalt irgendeiner Art vertrieben, das entspricht fast der Gesamtbevölkerung Deutschlands. Da Kriege und kriegerische Auseinandersetzungen aktuell zweimal länger anhalten als noch in den frühen 1990er Jahren, wird die Zahl der Schutzbedürftigen und damit auch derjenigen, die auf Lebensmittelhilfen angewiesen sind, weiter zunehmen.
Laut der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, welche den weltweiten Handel mit Lebensmitteln beobachtet und Preisänderungen in den verschiedenen Regionen aller Kontinente vermerkt, sind die Preise für die gängigsten Getreide, vor allem Reis, Weizen, Mais und Hirse im Frühjahr 2021 weltweit im Vergleich zum Vorjahr zwar insgesamt gesunken, sie sind aber immer noch hoch. Ende März 2021 warnten die Vereinten Nationen, dass über 30 Millionen Menschen dieses Jahr von einer Hungersnot betroffen sein könnten. Die Zahlen der FAO belegen das. Die immer noch anhaltenden Konflikte und Krisenherde in manchen Regionen verhindern dort Preissenkungen, weil der Zugang und Import von Getreiden, aber auch anderen Grundnahrungsmitteln nicht sichergestellt ist. Das betrifft in unseren Projektländern derzeit vor allem den Libanon, aber auch Haiti. Andere Gründe, die verbreiteter sind, betreffen vor allem Küstenstaaten wie Kenia, Bangladesch, Indien, Sri Lanka, Südafrika und Togo, aber auch Binnenländer wie Zimbabwe und Malawi. Akuter Hunger wird demnach durch den sogenannten Klimaschock, regionsweise durch Wüstenheuschrecken und immer deutlicher durch die Auswirkungen der Coronapandemie geschürt. Besonders betroffen sind Geflüchtete, wie Syrer im Libanon und Rohingya in Bangladesch.
Hinzu kommt, dass die Gesundheitssysteme vieler afrikanischer Länder, die lange verschont blieben, durch die steigenden Infiziertenzahlen der zweiten Welle, die Ende 2020 begann, überlastet werden. Die zweite Welle erweist sich als wesentlich aggressiver, die Ansteckungen haben um 30 Prozent zugenommen. Laut eines Artikels im Guardian vom 26. März 2021 steigen laut WHO in zwölf Ländern, unter ihnen in Kenia, die Infektionszahlen an. Allein in Kenia sind die Zahlen um 20 Prozent gestiegen – wie in vielen anderen Ländern auch, ist vermehrt medizinisches Personal betroffen. Fast ein Drittel aller Infektionsfälle und an Corona Verstorbenen verzeichnet Südafrika.
Trotz aller Widrigkeiten geht die FAO im Vergleich zu 2020 von einer weltweit verbesserten Grundversorgung mit Lebensmitteln aus. Im Frühjahr begann in vielen Teilen der Welt die Aussaat unter besseren Bedingungen als in 2020. In manchen Regionen konnten Exportmöglichkeiten ausgebaut und gesichert werden, auch die Produktionsaussichten für dieses Jahr sehen gut aus. Die positive Trendwende wirkt sich aber ungleichmäßig auf Länder aus. In Zimbabwe beispielsweise musste der Staat über zwei Jahre hinweg Getreide aus dem benachbarten Ausland importieren, weil die eigenen niedrigen Ernteerträge der vergangenen beiden Jahre dies verlangten. Das hatte u.a. zu Verzögerungen im Ablauf der Waisenhilfeprojekte geführt. Sofern die Ernten dieses Jahr so gut ausfallen werden, wie prognostiziert wurde, werden inschallah wenigstens keine Importe mehr nötig sein und die Getreidepreise könnten weiter auf ein Normalniveau sinken.
Manchmal müssen wir einen anderen Weg einschlagen, um das Beste aus der zu leistenden Hilfe herauszuholen. Wir versichern allen Spendern, dass wir in Zusammenarbeit mit unseren Partnerorganisationen unser Möglichstes tun werden, um alle Projekte weiterhin zum Wohl der Bedürftigen und in Not Geratenen umzusetzen. Wir bitten um Verständnis, dass mancher Bedarf ungewohnte Änderungen mit sich führt.
Möge Allah es uns allen leicht machen, womit wir auch gerade zu kämpfen haben, und uns alle vor jeglichem Schaden bewahren.