Hungerhilfe zwischen Dürre und Flut

Soufian El Khayari

Als humanitäre Hilfsorganisation orientiert sich unsere Arbeit nach dem Bedarf der Notleidenden, von denen viele aus dem landwirtschaftlichen Sektor kommen. Wir sprechen dabei von Bauern, Viehzüchtern und Fischern. Die Lebensgrundlage dieser Menschen hängt dabei stark von den klimatischen Umständen ab.

In Ostafrika hat es nun seit mehr als einem Jahr nicht mehr ausgiebig geregnet, was bedrohliche Folgen für die Bevölkerung mit sich bringt. Ganze Regionen sind vertrocknet, Wasser ist zur Mangelware geworden und daraus resultierende Hungersnöte gefährden sowohl das Leben der Menschen als auch das ihrer Nutztiere. Weiterhin ist nicht absehbar, wie lange die Dürre noch anhalten wird. Es ist daher wenig verwunderlich, dass unsere Projektpartner vermehrt Hungerhilfe anfragen und wir unsere humanitäre Arbeit wohl auch in der nächsten Zeit darauf konzentrieren müssen, Lebensmittel an Bedürftige verteilen zu lassen. Solche Hilfsprojekte sind zwar nicht nachhaltig im Sinne eines anhaltenden materiellen Effekts, aber sie sind dringend notwendig, um den Betroffenen gegen den akuten Hunger zu helfen.

So zum Beispiel in Kenia, wo wir im vergangenen Jahr in mehreren Ortschaften wiederholt Hungerhilfe finanzieren konnten.
Kenia besteht aus mehreren dezentral verwalteten Counties. Zwei davon sind Kilifi und Tana River, die am schwersten von der Dürre betroffen sind. Mangels ausreichender Regenfälle konnte in diesen Gebieten bereits seit 2020 nahezu nichts angepflanzt werden.

Die Ernten sind folglich ausgeblieben, worunter die Bauern und Hirten samt ihrer Familien leiden. Aber auch tausende Tiere und insbesondere Kühe und Ziegen sind durch die Dürre gestorben. Dazu kommen noch die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen von COVID-19, die selbst über landwirtschaftliche Tätigkeiten hinweg den Alltag der Menschen erschweren und zu vielen Firmenschließungen und Geschäftsaufgaben führten.
Das Ziel der dortigen Hungerhilfe war zunächst 1900 bedürftige Familien in mehreren Dörfern mit Lebensmittelpaketen aus jeweils 5 Kilogramm Reis, 5 Kilogramm Maismehl, 4 Kilogramm Bohnen, 2 Litern Speiseöl und einem Kilo Salz zu versorgen.

Kenia: Vorbereitung für die Verteilung der ersten Hungerhilfe 2021 in Tana River County
Kenia: Vorbereitung für die Verteilung der ersten Hungerhilfe 2021 in Tana River County

Die Lebensmittelpakete wurden dabei so zusammengestellt, dass die Familien davon je nach Verbrauch und Anzahl der Familienmitglieder etwa 2 Wochen leben können. Zwischen dem 29. Oktober und dem 6. November 2021 konnten dann die geplanten Verteilungen alhamdulillah in 9 verschiedenen Dörfern erfolgreich durchgeführt werden. Unter den Begünstigten waren teils auch Waisen, Witwen, ältere Menschen und Arbeitssuchende. Auch konnten glücklicherweise 27 Familien mehr berücksichtigt werden, als ursprünglich im Projektantrag angedacht waren.
Abgesehen von den Lebensmittelverteilungen durch unsere Projektpartner erhielten die Begünstigten an diesen Orten leider kaum anderweitige Unterstützung. Umso erleichterter waren sie daher über die Spenden von muslimehelfen, da sie nun zumindest etwas auf dem Tisch hatten.

Kenia: Kostenlose mobile Klinik 2021
Kenia: Kostenlose mobile Klinik 2021

Fatima, eine 81-jährige Witwe aus Garseni, die mit der Familie ihres 73-jährigen Bruders lebt, sagte nach dem Erhalt der Hilfsgüter, dass sie allen, die an sie in ihrem hohen Alter und an ihre Familie gedacht haben, bei Allah die höchste Stufe des Paradieses wünscht.

Awadh, ein 88-jähriger Viehzüchter, ebenfalls aus Garseni der vor einigen Jahren noch eine beachtliche Anzahl an Kühen und Ziegen besaß, aber aufgrund von Dürren seinen gesamten Besitz verlor und seit einem schweren Sturz mit Krücken laufen muss, sagte dazu in sinngemäßer Übersetzung:

„Ich gehör te zu den glücklichsten Personen, die ein starkes und schweres Lebensmittelpaket durch die Partner von muslimehelfen erhalten haben. Als Familie sind wir Allah dankbar, dass er uns diese Prüfungen hat durchstehen lassen und wir danken euch für eure Spenden. Möge Allah euch mit dem Einlass in den Paradiesgar ten belohnen.”

Der Projektwert betrug dabei 3.508.048,80 kenianische Schilling, was beim damaligen Wechselkurs 27.594 Euro entsprach.

Gegen Ende des Jahres wurde ein ähnliches Folgeprojekt im Tana Delta Sub-County umgesetzt, bei dem in 21 Dörfern Lebensmittelpakete an 3000 Familien verteilt wurden.

Im Vergleich zum Vorgänger des Projekts wurde dabei nicht nur die Anzahl der Bedürftigen gesteigert, sondern das Hilfsprojekt wurde auch um medizinische Untersuchungen erweitert. So konnten 1109 Patienten an zwei Projektorten kostenlos medizinisch behandelt werden.

Dies ist insofern eine wertvolle Unterstützung für die Betroffenen gewesen, da viele Patienten in abgelegenen Ortschaften leben und keine Möglichkeit haben, die weit entfernten medizinischen Einrichtungen aufzusuchen und sich die Medikamente sonst auch nicht leisten könnten, die dank Spenden bezahlt wurden.

Wenige Monate später erfolgte vom 16. bis zum 30. Dezember eine dritte Lebensmittelverteilung zu Gunsten von 1336 Familien. Anfang diesen Jahres wurde ein viertes Projekt dieser Art zu Gunsten von 2017 Familien durchgeführt und im Juni 2022 konnte eine fünfte Hungerhilfe im Tana River Delta Sub-County für 1910 Familien umgesetzt werden, die allesamt Lebensmittelpakete mit der gleichen Zusammenstellung wie bei der ersten Verteilung erhielten.

Neben der Hungerhilfe an der Küste Kenias in Kilifi und Tana River, fanden außerdem in mehreren Dörfern in Wajir County vergleichbare Lebensmittelverteilungen statt.

Wajir County gehört zu den am wenigsten entwickelten Regionen im Norden Kenias. Die Bewohner dieser Gegend sind größtenteils somalische Hirten, deren Einkommen hauptsächlich von der Viehzucht abhängt. Sowohl historische Gegebenheiten, als auch eine schlechte Regierungsführung und klimatische Veränderungen trugen zum Elend der lokalen Gemeinschaft bei. Etwa 72 % der Menschen in dieser Region leben unterhalb der Armutsgrenze und etwa 68 % der Bevölkerung haben noch nie eine Schule besucht. Umso schwerwiegender sind die Auswirkungen der Dürre auf die Menschen in Wajir County.

Die begünstigten Familien in Wajir County erhielten jeweils 12 Kilogramm Weizenmehl, 12 Kilogramm Maismehl, 10 Kilogramm Bohnen, 3 Liter Pflanzenöl und 3 Kilogramm Milchpulver. Dies sind im Vergleich zu den Verteilungen in Kilifi und Tana River deutlich mehr Hilfsgüter pro Familie, wodurch gewährleistet werden soll, dass die Lebensmittel je nach Verbrauch etwa doppelt so lange anhalten.

Bei dem ersten Projekt Ende letzten Jahres in Wajir County konnten 650 Familien berücksichtigt werden.
Eine 68-jährige Begünstigte namens Polga aus einem Dorf in Korondile sagte dazu:
„Wir sind dankbar gegenüber den Menschen, die uns diese ausgewählten Lebensmittel gebracht haben. Insbesondere danken wir den Muslimen außerhalb des Landes, die an uns gedacht haben und die Hilfe verteilt haben. Wir bitten weiterhin darum diese Spenden fortzusetzen, bis wir die Dürre durchgestanden haben.“

Die 45-jährige Amina aus einem Dorf in Adema bedankte sich ebenfalls und machte deutlich, dass sie die Lebensmittel in Zeiten einer schweren Dürre erreicht haben und der Bedarf groß ist.

Zwischen den Jahren konnte außerdem 505 Familien in Wajir County in ähnlicher Weise geholfen werden. Im Sommer 2022 wurde über ein drittes Hilfsprojekt 460 Familien versorgt.

Die 32-jährige Saadia aus einem Dorf in Wajir County sagte dazu: „Uns wurden sehr gute Lebensmittel gebracht. Wir sind äußerst glücklich und dankbar gegenüber Allah, dem Allmächtigen, und denen, die uns diese Hilfsgüter gebracht haben. Inschallah werden diese Lebensmittel einen Monat ausreichen. Möge Allah, diejenigen segnen, die dies gespendet haben und deren Vermögen vermehren.“

Wenn der Regen zur Gefahr wird

Nun sollte man doch meinen, dass es lediglich regnen müsse, damit sich die Situation wieder entspannt. Das Problem ist jedoch, dass der ausgetrocknete Boden nach einer monatelangen Dürreperiode einfach nicht mehr in der Lage ist größere Wassermassen in kurzer Zeit aufzunehmen.

Wenn es dann zu Starkregen kommt, kann das Wasser nicht abfließen und bildet neben Überschwemmungen, Erdrutschen und Schlammlawinen zusätzlich auch noch die Gefahr von Krankheiten wie Cholera und Hepatitis.

Kenia: Verteilung von Lebensmitteln an Bedürftige in Tana River County
Kenia: Verteilung von Lebensmitteln an Bedürftige in Tana River County

Betroffene Bauern und Hirten aus dem Flussgebiet, mussten daher in der Vergangenheit ihr Hab und Gut zurücklassen, um sich in Sicherheit zu bringen und sich in höheren Gebieten neu anzusiedeln, was mitunter ebenfalls die Verteilung von Lebensmittelhilfen notwendig macht.

Folglich haben viele der Begünstigten dieser Hilfsprojekte tragischerweise sowohl unter den unmittelbaren Folgen der Dürre gelitten, als auch die Auswirkungen der vergangenen Flutkatastrophen hinter sich, bei denen sie alles verloren haben.

Auch wurden die Straßen durch Überflutungen beschädigt, was die Umsetzung der humanitären Arbeit erschwert und den Transport der Hilfsgüter teils nur mit Allradantrieb ermöglicht.

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