Die Prüfung

Ahmad von Denffer

In Kürze werden wir, so Gott will, unseren großen islamischen Gedenktag begehen, den Tag des Opfers, idu-l-adha, und wir sollten uns ins Gedächtnis rufen, was der eigentliche Anlaß für diesen Gedenktag ist, und warum wir an diesem Tag ein Opfer bringen. Im Heiligen Koran wird berichtet von Abraham, dem Allah die frohe Kunde von einem lang erwarteten Sohn gibt, und dem der Vater auf Allahs Geheiß dann später das Leben nehmen soll.

Abraham „sagte: ‚Mein lieber Sohn, ich habe im Schlaf gesehen, dass ich dich schlachten soll, also sieh, was du dazu meinst.‘ Er sagte: ‚Mein Vater, tu, was dir befohlen wurde, du wirst mich, so Gott will, als einen finden, der geduldig ausharrt.‘ Und als sie sich beide unterworfen hatten, und er ihn auf die Stirn gelegt hatte, und Wir ihn riefen: ‚Ibrahim, du hast den Traum schon wahr gemacht.‘ Derart lohnen Wir es denen, die Gutes tun. Das war ganz sicher die klare Prüfung, und Wir haben ihn mit einem großen Opfer ausgelöst, und Wir haben für ihn unter den Späteren hinterlassen: ‚Friede auf Ibrahim‘.“ (37:103-110).

Den Segenswunsch für Abraham und die Seinen sprechen wir ja in jedem der täglichen Gebete. Die Geschichte Abrahams ist nicht die Geschichte irgend einer Prüfung,
sondern die Geschichte der einzig bedeutsamen Prüfung für den Menschen überhaupt. Hier verlangt der Schöpfer Gehorsam von Seinen Geschöpfen – von beiden, Vater und Sohn, und beide ergeben sich in Gottes Willen. Das Töten des Sohnes selbst, so lehrt uns die Geschichte, ist gar nicht wesentlich. Entscheidend war, ob Ibrahim und sein Sohn bereit sein würden, Gott zu gehorchen, selbst wenn es darum geht, das Kostbarste, das Liebste, das Einzige zu geben. Und Abraham wußte, dass Leben und Tod nach Gottes Willen geschehen. Er hatte es ja am eigenen Leib erfahren. Der Sohn war für ihn ein Geschenk von Allah, und Allah konnte ihn zu Sich nehmen, wann und wie immer Er wollte.
Auch an anderer Stelle sagt der Heilige Koran, dass von den Opfern der Menschen das Fleisch und Blut für Allah nichts bedeuten, sondern dass entscheidend die Gottesfurcht des Menschen ist (vgl. Sure 22:38).

Gott hat es nicht nötig, und Gott will auch nicht, dass Ihm ein Blutopfer gebracht würde wie die Menschen das mit den Götzen und falschen Göttern tun. Das sollte auch der bedenken, der annimmt, Gott habe später einen anderen Menschen als Opfer verbluten lassen. Schon hier, in der Geschichte von Ibrahim wird deutlich, dass der Schöpfer das nicht will. Er prüft den Menschen und verlangt Gehorsam, und Er löste Ibrahims Sohn mit einem anderen Opfer aus, bevor es überhaupt zum Fließen des Blutes kam, weil Ibrahim durch seine Bereitschaft Gehorsam Gott gegenüber zum Ausdruck gebracht hat.

So ist unser Opferfest ein Gedenktag im doppelten Sinn. Einmal erinnern wir uns an die unvorstellbar tiefe Ergebung Ibrahims und seines Sohnes in Gottes Willen und ihren unerschütterlichen Gehorsam, der uns in manchen Fragen unseres eigenen Lebens dazu bewegen sollte, Kleinmütigkeiten hinter uns zu lassen, denn selten nur wird uns etwas abverlangt, was der Prüfung Ibrahims entsprechen würde. Zum anderen erinnern wir uns an die unvorstellbar große Güte des Schöpfers, Der eben nicht, wie der Götze, das Blut des Menschen verlangt, und Der den, der Ihm ergeben ist, mit großem Lohn belohnt. Auch daran sollten wir in unserem Alltag denken und wissen, dass Allah selbst das zu geben und zu schenken bereit ist, was unvorstellbar schien, wenn nur der Mensch von sich aus sich in Gottes Willen ergibt. Opferbereitschaft, bis hin zum Liebsten, das man hat, das ist das Thema unseres Gedenktages, und diese Opferbereitschaft führt zum Frieden von und mit Allah.

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