Rotgelb ist der Sand des Fahrwegs. Ein heißer Windstoß wirbelt Staubwolken auf. Mit ausgestrecktem Arm deutet Scheich Hassan in weitem Bogen über die Gegend vor uns und sagt: „Alles war überschwemmt, meterhoch, kein Durchkommen mehr.“ In der Ferne sehe ich die Ränder eines ausgetrockneten Flussbettes. Eigentlich hat die Regenzeit schon begonnen, aber jetzt fehlt es an Wasser. „Wir mussten hier mit dem Boot fahren, um die Menschen zu erreichen“ erklärt Scheich Hassan weiter. Er spricht von der Überschwemmung Anfang 2011. Damals hatte Muslime Helfen ein Notfallprogramm finanziert, das die einheimische Azizah Foundation vor Ort umsetzte.
Mit dem Gedanken, besser auf Notfälle vorbereitet zu sein, war ich schon länger befasst. Die praktische Umsetzung konnte im Jahresplan 2012 erfolgen. Gestern hatten wir im Waisenhaus von Kinniya, dessen Bau Muslime Helfen nach dem Tsunami ermöglichte, einen „Muslime Helfen Notfallkit“ seiner Bestimmung übergeben. Es ist der zweite Notfallkit, dieser Art, der erste war im Frühjahr in Indonesien eingerichtet worden. Zusammen mit unseren Partnerorganisationen und einheimischen Ärzten wurde der notwendige Bedarf ermittelt, um im Katastrophenfall wenigstens eintausend Menschen erste medizinische Hilfe zu leisten. Das erforderliche medizinische Gerät, Medikamente und Verbrauchsmaterial stehen nun als „Muslime Helfen Notfallkit“ abholbereit vor Ort. Im Katastrophenfall können die einheimischen Ärzte, die dann Hilfe leisten, mit diesem Notfallkit unverzögert in das Katastrophengebiet aufbrechen.
„Und was geschieht mit den Medikamenten, wenn das Verfallsdatum abgelaufen ist?“ wollte Mohan Wijewickrama wissen, der Gouverneur der Ostprovinz Sri Lankas. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, zur Übergabe des MH-Notfallkits nach Kinniya zu kommen. Noch bevor ich das erklären konnte, sagte Scheich Hassan: „Morgen werden wir inschallah unsere erste Mobile Klinik in einem der abgelegenen Bezirke durchführen. Die Dorfbewohner sind schon informiert, und die Ärzte vorbereitet. Das ist ein weiteres gemeinsames Projekt mit Muslime Helfen. Zukünftig soll es diese Mobile Klinik monatlich geben. Wenn sich das Verfallsdatum von Medikamenten aus dem Notfallkit nähert, können sie bei der Mobilen Klinik eingesetzt und im Notfallkit ersetzt werden.“
Wir gehen ein paar Schritte zu einem niedrigen, weitausladenden Mangobaum. In seinem Schatten steht ein Tisch, darauf Medikamente. Nicht weit davon, im Schatten anderer Bäume, untersuchen drei Ärzte Dorfbewohner, die zur heutigen „Mobilen Klinik“ gekommen sind. Vor allem Frauen mit Kindern haben sich versammelt, aber auch viele ältere Menschen, mehr als hundert Personen. Bei Bedarf verschreibt der Arzt ein Medikament, das die Patienten dann unter dem Mangobaum abholen, kostenlos, denn sie gehören zu den Armen. Ich bin froh und dankbar, dass dieses Vorhaben gelingt. Sollte der MH-Notfallkit wider Erwarten nicht zum Einsatz kommen müssen, was den Menschen vor Ort nur zu wünschen ist, dann haben sie anderweitig Nutzen durch die Medikamente, nämlich bei der Mobilen Klink, al-hamdu li-llah.
Ahmad von Denffer