Bei komplexen Problemen gibt es in der Regel verschiedene Lösungswege. So heißt es in einer Redensart: „Viele Wege führen nach Rom“. Jeder Weg hat dabei seine eigenen Vor- und Nachteile. Diese Punkte möchte ich hier gegenüberstellen und auch einige Grundsatzfragen in den Raum stellen. Vorab eine kurze Zusammenfassung der zwei verbreitetsten Methoden, um Waisen zu helfen.
Bei einer Patenschaft verschafft sich eine Hilfsorganisation zunächst einen Überblick über Waisenkinder in einem bestimmten Gebiet. Jedes Kind wird dann in einem Vermittlungsprozess jeweils einem bestimmten Spender zugeordnet, welcher über einen festgelegten Zeitraum mit einem monatlichen Pauschalbetrag die Kosten für genau dieses Waisenkind begleicht und über dessen Entwicklung informiert wird.
Ein anderer Ansatz ist es z.B. Waisenzentren auf die Beine zu stellen, die gleichzeitig vielen Waisenkindern zu Gute kommen und eingehende Spenden für Waisen nicht speziell einzelnen Kindern zuzuordnen, sondern zunächst gemeinsam in einem Topf zu sammeln und auf allen verfügbaren Waisenprojekten zu verteilen. Dieses fondbasierte Prinzip nennt sich Waisenhilfe.
Auswahl des Waisenkindes
Eine besondere Stärke der Patenschaften ist die persönliche Verbindung zwischen einem Spender und dem Waisenkind, welches man dann mit Namen und Bild kennt und Einblicke in dessen Leben bekommt. In regelmäßigen Abständen erhält der Spender sogar Briefe und Zeichnungen der Kinder und wird über dessen persönliche Entwicklung auf dem Laufenden gehalten.
Es klingt vermutlich etwas bürokratisch, aber damit es zu einer Vermittlung von Waisen kommt, müssen die Kinder vorher sozusagen „katalogisiert“ werden. Meistens kann der Spender dann auswählen, ob er einen Jungen oder ein Mädchen fördern möchte und aus welchem Land dieses Kind sein soll. Manchmal entscheidet auch einfach das Aussehen oder die Sympathie eines Waisenkindes über die Auswahl. Das ist etwas, womit ich mich aus verschiedenen Gründen heraus persönlich sehr schwer tue.
Ist ein Kind aus Syrien etwa wertvoller als ein Kind aus Sri Lanka? Ist ein Junge aus Burundi etwa weniger wert als ein Mädchen aus Indien? Nein! Emotionale und psychologische Auslöser auf Seiten der Spender sind zwar nicht von der Hand zu weisen, müssen aber durch Sachlichkeit und Wissen über die Gesamtsituation überwunden werden, um die Hilfe, überall wo man kann, gerecht zu verteilen.
Waisen ohne Paten
Natürlich ist es gut, wenn ein Kind einen Paten hat, aber wir müssen uns aus der Gerechtigkeit heraus auch die Frage stellen, was mit den Kindern ist, die warum auch immer keinen Paten haben. Bleibt ihnen jegliche Hilfe verwehrt? Was geschieht nach Ende der Laufzeit der Patenschaft? Ein anderer Punkt ist die Zuverlässigkeit. Man kann es sich kaum vorstellen, aber aus der Erfahrung heraus, weiß ich, dass es durchaus auch Spender gibt, die aus verschiedensten Gründen ihre versprochene monatliche Spende nicht tätigen. Mal sind Konten nicht gedeckt oder jemand hat einfach einen finanziellen Engpass. Was macht man in so einer Situation mit dem zugeteiltem Patenkind? Man kann das Kind ja nicht 1-2 Monate unversorgt lassen. So ist die fondbasierte Waisenhilfe flexibler und weniger risikobehaftet, da die Hilfe für ein Kind nicht von einer einzelnen Personen abhängt, sondern von allen Helfern gemeinsam getragen wird.
Wie viel Informationen wollen wir über die Waisen preisgeben?
Ohnehin ist es ein schmaler Grat zwischen der Würde der Bedürftigen, deren Recht auf Privatsphäre und Persönlichkeitsrechten und dem Informationsrecht der Spender. Auch bei der fondbasierten Waisenhilfe werden die einzelnen Kinder erfasst, jedoch werden die Informationen über sie nicht in voller Breite veröffentlicht. Vielmehr geht es bei der Berichterstattung um den Fortschritt und die Situation aller Waisenkinder in dem jeweiligen Projekt. So zeigen wir beispielweise Fotos aus unseren Waisenzentren, beim Unterricht, beim Essen, bei der Verteilung von neuen Hilfsgütern, aber verzichten bewusst darauf, die Biographie der einzelnen Kinder, bis auf exemplarische Beispiele, offen zu legen, denn darauf haben wir, unserer bescheidenen Meinung nach, nur bedingt Anspruch.
Nur weil wir einem Waisenkind helfen, können wir noch lange nicht von ihm erwarten, seine Lebensgeschichte mit persönlichen Briefen aus Dankbarkeit offen zu legen. Die Absicht ist natürlich gut, aber dies möchten wir nicht systematisch einfordern.
Kosteneffizienz
Was ist das eigentliche Ziel der Spende? Der Erhalt von Allah’s Wohlgefallen, indem wir von unserem Vermögen abgeben, um den Schwächsten in bester Weise zu helfen. Dazu gehört, dass wir mit den Spenden so effizient wie möglich umgehen. So stehen wir stets vor der Frage und der Verantwortung gegenüber Allah mit den verfügbaren Spenden so vielen Waisen wie möglich zu helfen und unnötige Kosten, Zeit und Verwaltungsaufwand einzusparen. Kurz gesagt, kosten alle zusätzlichen Schritte wie die Vermittlung und der Briefverkehr aus fernen Ländern zwischen den Spendern und den Waisen logischerweise auch mehr Geld.
Fazit
Letztlich helfen beide Wege den Waisen und konkurrieren im guten Miteinander. Vom islamischen Standpunkt ist es jedenfalls wichtig, den Waisen zu helfen, wo man kann. Wir bei muslimehelfen setzen vor allem aus Gründen der Kosteneffizienz in den Projekten und um die Würde und Privatsphäre der Betroffenen zu wahren auf die Waisenhilfe. Unserer langjährigen Erfahrung nach können wir so mehr erreichen. Besonders durch monatliche Spenden.
Möge Allah unsere Bemühungen akzeptieren und Er weiß es am Besten.