Selbsthilfe als Ziel

Von Nadya Moussa

Togo ist ein sehr armes Land – so arm, dass die Menschen dort auf die aktive Unterstützung anderer Länder angewiesen sind. Vielen ist es nicht möglich, ihre Familie ausreichend zu versorgen. Der Zugang zu Bildung bleibt Kindern und Jugendlichen zumeist verwehrt, denn dazu fehlt das Geld.

Mit geschlossenen Augen

Nicht alle Sehbehinderten sind von Geburt an blind. Blindheit kann jeden treffen – durch einen Unfall, eine Krankheit oder das Alter. Dabei wirkt sich unser Sehvermögen auch auf unsere Wahrnehmung aus: Jeder Windstoß, der unser Gesicht streift, das plötzliche Geraschel in dem Gebüsch hinter uns, oder der Duft, den die Blumen von einer Sommerwiese versprühen, ist anders, wenn wir nichts sehen.

Blind auf dem Weg in die Zukunft
Diese Welt zu erleben, in ihr zu leben, ohne sie sehen zu können, ist ein schwerer Weg. Sehbehinderten Möglichkeiten zu bieten, ihren Weg allein bestreiten zu können, ist das Ziel der Arbeit von muslimehelfen.

So entstand im Jahr 2010 in der Stadt Sokodé in Togo ein Blindenzentrum. Die Zusammenarbeit läuft gut zwischen muslimehelfen, welches die Projekte finanziert, und seinen Partnern von der Action pour le Bien-Etre et l’Epanouissement des Aveugles (ABEA), welche die Projekte umsetzen.

Mit vereinten Kräften

Beide Organisationen verfolgen dasselbe Ziel: Die Sehbehinderten sollen auf ein eigenständiges Leben vorbereitet werden. In der Schule, die auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet ist, lernen sie mit Hilfe der Blindenschrift. Da die Familien der Schüler mittellos sind, werden sie in dem Blindenzentrum auch verpflegt, die Ausgaben für ihre Schulmaterialien übernimmt muslimehelfen genauso wie alle anderen Ausgaben. Im Krankheitsfall, oder wenn sie sich verletzt haben, werden sie medizinisch behandelt und gepflegt. Die Gemeinschaft ist ein starkes Zugpferd: Die ABEA, muslimehelfen und seine Spender bemühen sich gemeinsam darum, den Blinden in Sokodé ein selbstständiges Leben zu ermöglichen.

Wissen und Erfolg kennen keine Grenzen

Und Selbsthilfe ist möglich – auch wenn man nicht sehen kann. Louis Braille hat das auf eindrucksvolle Weise bewiesen. Als Kleinkind durch einen Unfall erblindet, nahm er sein Schicksal als Hürde an, die er zu überwinden suchte. Im jugendlichen Alter lernte er durch seinen Lehrer Charles Barbier die so genannte „Nachtschrift“ kennen, eine verworrene Anordnung von Silben und Punkten, welche in der Armee verwendet wurde, um auch nachts untereinander kommunizieren zu können.

Eine Schrift, die Schule macht

Braille nutzte dieses System als Grundlage für seine Idee: Die Blindenschrift war dabei zu entstehen. Innerhalb von wenigen Jahren reduzierte er die „Nachtschrift“ von Silben auf Buchstaben und auf je sechs Punkte für jedes Schriftzeichen. 1836 schließlich präsentierte er seinen Erfolg einer breiten Öffentlichkeit, die ihm jedoch unter dem Vorwurf, er würde die vorgelesenen Texte auswendig gelernt vortragen, keinen Glauben schenken wollte. Erst zwei Jahre vor seinem Tod erlebte Louis Braille, dass sehbehinderte Kinder an den Blindenschulen Frankreichs durch seine Erfindung unterrichtet wurden.

In Zukunft ohne fremde Hilfe

Selbsthilfe und Eigenständigkeit sind keineswegs Ziele, die nur Sehbehinderte anstreben. Denn Armut kennt weder Volkszugehörigkeiten noch Länder oder Kontinente. Auch in Europa bilden eine abgeschlossene Ausbildung oder ein Studium eine zuverlässige Grundlage, um einen Beruf ausüben zu können und dadurch eine wertvolle Stütze der Gesellschaft zu werden. In anderen Regionen ist das nicht anders. Nur die Möglichkeiten sind dort begrenzter. Es mag manchem so erscheinen, dass Armut angeboren oder vererbt wird. Aber dem ist nicht so. Armut lässt sich beheben: Um jungen Menschen für ihre Zukunft eine Perspektive zu bieten, engagiert sich muslimehelfen mit seinen vielen Partnern in den Projektländern.

Der Weg der Gemeinschaft

Der Weg zur Selbsthilfe kann steinig sein – auch wenn man nicht blind ist. Einfacher wird es da, diesen Weg gemeinsam mit anderen zu gehen. In Ruanda haben sich in Musambira Männer zu einer Kooperative zusammengetan. Gemeinsam haben sie das Schneiderhandwerk erlernt, um ihre Familien ernähren zu können. Dazu wurden ihnen Nähmaschinen und zusätzliches Material zur Verfügung gestellt.
Sich den Lebensunterhalt durch Handarbeit zu verdienen ist eine mühsame, aber sichere Einnahmequelle. Auch die Frauen der Abakundumuco-Kooperative in Ruhimbi verdienen sich so ihr Auskommen. Sie stellen Handarbeiten, wie Körbe, Bettlaken oder auch Kleidungsstücke her, die sie anschließend verkaufen.

Bereits 2010 wurde den Frauen ein Gebäude auf dem dazu gehörigen Stück Land übergeben. Die Räumlichkeiten nutzen sie als Produktions- und Verkaufsräume. In einem Folgeprojekt konnten ihnen Nähmaschinen und Zubehör überreicht werden. Ihre Produktion haben die Frauen ausgeweitet: Ihre Handarbeiten lassen sich damit einfacher, schneller und vielfältiger herstellen.

Selbstständigkeit durch erfolgreiche Projekte

Sich dauerhaft selbst zu ernähren ist durch den Erlös eigenhändig hergestellter Kleidung nicht nur in Ruanda möglich. In Kambodscha hat muslimehelfen mit seinen Partnern von der Cambodian Muslim Student Association, kurz CAMSA, vier Jahre lang erfolgreich jungen Frauen die Ausbildung zur Näherin ermöglicht. Nun wird das Projekt an einem neuen Standort weitergeführt. Inschallah finden dort auch wieder viele Mädchen und Frauen einen Weg aus der Armut in die Selbstständigkeit.

In derselben Region wurden auch Englisch- und Computerkurse angeboten. Die Jugendlichen, die auf dem Land leben, haben selten Zugang zu Weiterbildungskursen; ein guter beruflicher Werdegang ist ohne Fremdsprachenkenntnisse oder jegliches Computerwissen nicht mehr möglich.

Denn in einer globalen Welt sind sie im Arbeitsleben unumgänglich. Auch dieses Projekt kann jetzt nach drei Jahren an einem anderen Ort weitergeführt werden, um noch mehr Menschen einen Weg aus der Armut hin zur Selbsthilfe zu ermöglichen. Inschallah.

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