Ding-Dong! Huch wer klingelt, denn da? Es ist der Zakat-Eintreiber. Er hat gesehen, dass ein schicker Benz in der Einfahrt eines hübschen Einfamilienhauses steht. Der Name auf der Türklingel lässt auf potentielle Muslime spekulieren. Da könnte ja dann wohl jemand zakatpflichtig sein, oder? Am besten gleich mal nachschauen und die Höhe des Vermögens feststellen. Hoffentlich macht jemand auf. Haha. Von wegen.
So ist es natürlich nicht. Niemand kommt zum Muslim und treibt die Zakat ein. Ganz im Gegenteil. Es ist eine persönliche Verpflichtung, für die auch jeder selbst verantwortlich ist.
وَأَقِيمُوا الصَّلَاةَ وَآتُوا الزَّكَاةَ وَأَطِيعُوا الرَّسُولَ لَعَلَّكُمْ تُرْحَمُونَ
[one_half]„Und verrichtet das Gebet und entrichtet die Abgabe und gehorcht dem Gesandten, auf daß ihr Erbarmen finden möget!“[/one_half]
[one_half_last]„Hem namazi kilin, zekati verin ve peygambere itaat edin ki rahmete eresiniz.“[/one_half_last]
(24:56)
Es liegt nun bei einem selbst sich das nötige Wissen für die Berechnung anzueignen und die Zakat dann an Bedürftige zu geben. Auch ist der Stichtag für die jährliche Fälligkeit frei wählbar.
Zur Frage, wer die Zakat bekommen soll, sagt Allah (subhanahu wa ta’ala):
إِنَّمَا الصَّدَقَاتُ لِلْفُقَرَاءِ وَالْمَسَاكِينِ وَالْعَامِلِينَ عَلَيْهَا وَالْمُؤَلَّفَةِ قُلُوبُهُمْ وَفِي الرِّقَابِ وَالْغَارِمِينَ وَفِي سَبِيلِ اللَّهِ وَابْنِ السَّبِيلِ ۖفَرِيضَةً مِّنَ اللَّهِ ۗ وَاللَّهُ عَلِيمٌ حَكِيمٌ
[one_half]„Die Spenden sind ja für die Bedürftigen und die Armen und die dafür Tätigen und die, deren Herzen zusammengefügt werden und für die Unfreien und die Verschuldeten und auf dem Weg Allahs und den ,Sohn des Weges’, eine Pflicht von Allah, und Allah ist wissend, weise.“[/one_half]
[one_half_last]„Sadakalar ancak sunlar içindir: Fakirler, yoksullar, o iste çalisan görevliler, müellefe-i kulûb (kalbleri Islâm’a isindirilacaklar), köleler, borçlular, Allah yolundakiler, yolda kalmislar. Allah tarafindan böyle farz kilindi. Allah her seyi bilendir, hüküm ve hikmet sahibidir.“[/one_half_last]
(9:60)
Mit diesem Vers werden übrigens auch die nötigen Kosten für die Verteilung theologisch legitimiert, wie sie bei Organisationen entstehen, die sich im größeren Umfang um Spenden kümmern.
Damit wird aber lediglich geklärt, wer für den Empfang der Zakat empfangsberechtigt ist, aber nicht wo bei der Verteilung im Sinne der Gerechtigkeit anzusetzen ist. Die islamischen Gelehrten sind sich einig, dass die Priorität bei der eigenen Gemeinde anzusetzen ist. Sind die Bedürfnisse innerhalb der Gemeinde gestillt, kann ein Teil der Zakat anderweitig eingesetzt werden (z.B. für Not leidende Verwandte oder Menschen in Katastrophen- und Krisengebieten). Erst wenn es für eine Einzelperson nicht praktikabel ist die Zakat direkt an Bedürftige zu geben, sind örtliche soziale Einrichtungen wie Moscheen gefragt, um dies zu verwalten und sinnvoll zu verteilen.
Worüber man nun diskutieren kann, ist ob in „reichen Ländern“ überhaupt einen Bedarf für die Verteilung der Zakat besteht. Insbesondere wenn es bereits staatliche Unterstützung wie Sozialhilfe oder Hartz 4 gibt.
So lehrt uns der Gesandte Allahs (ﷺ) in einem Hadith gemäß at-Tabarani in ungefährer Übersetzung:
„Allah hat den Reichen in ihrem Reichtum den Betrag auferlegt, der den Bedarf der Armen deckt. Die Armen leiden weder Hunger noch Nacktheit, außer als Folge des Handelns der Reichen. Allah wird sie genau prüfen und sie schwer bestrafen.“
Fragt sich jetzt in welchem Maßstab dies zu verstehen ist. Tragen beispielsweise die wohlhabenden Muslime in Mitteleuropa mehr Verantwortung für ihre vergleichsweise Armen Geschwister hier oder eher für ihre notleidenden Geschwister in Afrika, Nahost oder Asien? Wo sollte man zu erst helfen? Ist die Welt inzwischen nicht ohnehin ein Dorf? Wie sieht es aus, wenn die Bedürftigen aus der vermeintlichen Ferne hier her fliehen? Sind sie dann bei der Verteilung zu bevorzugen? Müssen wir womöglich berücksichtigen, inwieweit wir an der Armut in anderen Ländern mitschuldig sind? Wie könnten wir denn nicht helfen, wenn wir unseren Reichtum auf dem Rücken der Armen in anderen Ländern begründen?
Dies sind keine einfachen Fragen. Auch nicht für uns, denn wir sind keine Gelehrten, Theologen oder Imame, sondern eine Hilfsorganisation. Besonders problematisch ist es, wenn man das Elend einer Gruppe mit dem Elend einer anderen Gruppe vergleicht, da Armut viele Formen hat und jedes Schicksal einzeln zu betrachten ist.
Ich persönlich rate seit jeher dazu, überall zu helfen wo man kann. Sowohl in der unmittelbaren Umgebung als auch in der Ferne, wobei ich feststellen muss, dass es in der Regel effizienter ist im Ausland finanziell zu helfen, während man sich in seinem sozialem Umfeld, insbesondere in Moscheegemeinden mit ehrenamtlichem Engagement tatkräftig einbringen kann. Meistens mangelt es hier nämlich nicht an Geld, sondern an verantwortungsbewussten Brüdern und Schwestern, die lokale Projekte in die Hand nehmen. Projekte, die allen Menschen in der Umgebung helfen. Weiterhin müssen wir unabhängig davon auch bei den Ursachen anpacken, Lösungen bieten und nicht nur die Symptome bekämpfen.
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